Grundsätzliches:

Für mich ist künstlerische Auseinandersetzung zum einen formal, kunsttheoretisch und kunsthistorisch. Andererseits aber emotionaler Ausdruck, Selbstbewältigung und -erfahrung und das nicht nur im persönlichen Sinn, sondern besonders auch im Erforschen und Erkennen übergreifender ,grundlegender Strukturen und Zusammenhänge.
Ich bin der Überzeugung, daß sich alle äußeren Strukturen und Ordnungen, seien es naturwissenschaftliche ,sozio-politische oder religiöse, in uns Menschen, sozusagen im "Innenraum", spiegeln und sich dort Entsprechungen finden.Diese Erforschung meiner inneren Welt ,meiner Reaktionen auf die Wahrnehmungen meiner Sinne, ist die Quelle meiner Kunst.
Die dreidimensionale Skulptur als räumliches Phänomen, physische Struktur und reale Materie, ist nach meinem Empfinden der ideale Ausdrucksträger,um das Gefühl einer Idee dieser Innenwelt zu transportieren.
Für mich stellt sich hier die Frage nach Modernität überhaupt nicht, da es um Fragestellungen und Probleme geht, die zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte, zwar verändert in ihren Erscheinungsformen ,jedoch gleich in ihren Strukturen erscheinen.
Das Leben als Erscheinung der natürlichen Ordnung ist charakterisiert durch die stetige Veränderung von Struktur, also als dynamischer Prozeß. Somit ist das Ziel meiner Suche im Künstlerischen ,wie (fast parallel) im Persönlichen nicht die "finale Erkenntnis", sondern die möglichst große Annäherung an eben diesen Prozeß. Diese Annäherung geschieht über eine Bewußtseinsbildung, die wiederum über die künstlerische Auseinandersetzung und vorallem das Tun, die praktische Übung und die Reflektion darüber, genährt wird.
Ich sehe mich selbst in einer jahrtausende alten bildhauerischen Tradition, die eine sehr spezifische und überaus reiche Sprache hervorgebracht hat und deren Wortschatz, davon bin ich überzeugt, bei weitem noch nicht erschöpft ist. Jedoch ist die Sprache der Bildhauerei, im Vergleich zu modernen multi-medialen Ausdrucksformen, eine eher stille und langsame Erscheinung, die Zeit und auch Ruhe vorraussetzt,will man sich ihr nähern. Außerdem läßt sie dem Rezipienten die Wahl, ob er sich auf eine Kommunikation einlassen will oder nicht.
Aber woraus genau besteht nun diese "Sprache der Skulptur"? Nach meiner Meinung spricht die Skulptur emotional, das heißt, daß wir durch die dreidimensionale Physikalität der Skulptur diese auch körperlich empfinden, bzw. erfahren. Die skulpturalen Elemente wie Matrial, Form, Raum, Konstruktion und Rhythmus haben, nach meiner Erfahrung, ihre jeweiligen Entsprechungen im körperlichen Erfahrungsschatz. So entspricht das Material dem fleischlichen Körper, die Form der Emotionalität, der Raum den Seelenräumen und die Konstruktion der Rationalität. Dies läßt sich natürlich nicht einfach in jedem Bereich eins-zu-eins übersetzen, sondern ist ein komplexes Ganzes. Somit hat Skulptur vielleicht tatsächlich immer etwas mit Figur oder Körper zu tun, wie Tim Scott einmal behauptete. Nach meiner Meinung jedoch nicht nur in der physischen Erscheinung, sondern sicherlich auch im inneren Erleben.
Aus diesem Grund wähle ich natürliche Materialien für meine Skulpturen, die einen direkten Bezug zu bildhauerischen Traditionen herstellen. Ich könnte es mir nicht vorstellen in einem Material zu arbeiten, das ich nicht gerne anfassen möchte. Ich glaube, daß ich tief in mir eine Nähe zu den Steinen habe, da sie mich seit jeher inspirieren, faszinieren und herausfordern. Zum Holz als Ausdrucksträger bin ich erst später gekommen, als ich die Lebendigkeit und Dynamik, die Spannung die dem Holz inne wohnt erkannte. Besonders spannend und reich im Arbeiten mit diesen beiden Materialien empfinde ich die Möglichkeit die bildhauerischen Mittel der Plastik und der Skulptur, nämlich aufbauende mit abtragenden Tätigkeiten zu verbinden. Eisen oder Stahl verwende ich aufgrund seiner Härte gegenüber seiner Umgebung und seiner Biegsamkeit, d.h. seinen Fähigkeiten im Raum, als Möglichkeit der Zeichnung im Raum, inklusive physischer Präsenz.

Anregungen:

- I have a strong feeling now that material is far less important to sculpture than it is usually made out to be. What really happens is that sculptures find the material to fit their conception. They don`t find a conception to fit a material. But a lot of people imagine that that is what happens, the sculptors fall in love with a particular material - wood ,stone, steel or whatever it is - and then they make sculptures, they make ideas to fit the material.

Tim Scott, Interview mit Erich Franz und Michael Pauseback, Kat. Kunsthalle Bielefeld et al 1979/80, S.26


-Drawing for sculptors poses the dilemma of being at the same time the perfect medium for the observation and recording of visual information in the physical world, whilst also being the least capable of recording truly three dimensional sensetion.
Historically it has attempted to overcome this handicap through the adoption of highly developed illusionist techniques; but we have all observed how drawing loses its graphic power and simplicity as a result.
As a sculptor, i find drawing incapable of simulating the truly plastic visual sensations that only a three dimensional material, active in space, can convey; but at the same time i enjoy it as a wonderfully direct physical medium in itself, with its own, quite different world of plastic and spatial effect.

Tim Scott, Brief vom 14.3.1997


-Kunst muß in den Geist der Natur eindringen und ebenso wie die Natur Wesen erschaffen, deren Formen und Leben selbständig sind.

Constantin Brancusi


-Ein Gefühl für Schwere, eine starke Beziehung zwischen der Form des Objekts und dem Grund auf dem es liegt,war für die vitalsten Skulpturen der Moderne seit Rodin im Mittelpunkt. Schwere vereinigt Skulptur und Betrachter, die beide von der Anziehungskraft der Erde abhängen und ihr widerstehen. Werkstoffe und Struktur, Volumen und Raum, Einheit und Proportionen der Skulptur sprechen nicht für sich selbst, sondern artikulieren ein komplexes und tiefes Gefühl für unsere eigene Existenz in der Welt.

William Tucker,The Language of Sculpture. London,Thames&Hudson,1974,S.145


-Wie das Klangvolumen in der Musik, das die Stille mit Spannung erfüllt, wäre das Volumen in der Plastik nicht möglich ohne die Leere des Raumes. In ihr setzt sich die Vibration der Form über die Begrenzung hinaus fort, und beide, Raum und Volumen, erzeugen gemeinsam aus den möglichen Strukturen der Form ihre endgültige Gestalt. Der Rhythmus wird durch die Form bestimmt, er erneuert sich mit ihr, aber er steckt ebenso im Intervall seiner Modulationen, seiner Variationen.

Christa Lichtenstern,"Chillida und die Musik",Wienand Verlag, 1997, s.8f.